Heiko und die wilden Kerle

Nachdem unserem Justizminister sein Heiligenschein endgültig zu eng geworden ist, schubbert er sich mal wieder am Neuland.

Heiko hätte gerne, dass Betreiber sozialer Netzwerke (z.B. Facebook, Google und wie sie alle heißen) auf Zuruf von Bürgern Postings löschen, die strafrechtlich Relevantes beinhalten könnten. Und da Heiko das für eine großartige Idee hält – logisch, ist ja auch seine – hat er gleich mal einen Gesetzesentwurf daraus geschustert. Das Kabinett, in Sachen Internet ausschließlich Blindgänger erlesenster Qualität, fand den so total toll, dass er gleich mal unbesehen durchgewinkt wurde.

Wer hier glaubt wirklich, dass Facebook jetzt anfängt, Beschwerden einzeln auf ihre Validität zu prüfen – und wer denkt, dass einfach unbesehen gelöscht wird, um auf der sicheren Seite zu bleiben? Wer sich für ersteres entschieden hat, sollte bitte schnell seine monatliche Hirninfusion nachmedikamentieren und dann nochmal scharf nachdenken. Es besteht keinerlei Anreiz, genau zu prüfen. Im Gegenteil. Es kostet eine Menge Geld. 24 Stunden soll der Betreiber Zeit haben, „evidente Fälle von Hasskriminalität[…]“ zu entfernen, bei nicht offensichtlichen Fällen besteht eine Frist von 7 Tagen, bevor richtig böse Strafen fällig werden. Wer entscheidet, was offensichtlich ist, was nicht offensichtlich ist, und was überhaupt strafbar? Denken diese Kanaillen im Kabinett wirklich, da setzt der Herr Zuckerberg jetzt ein Rudel angehende Anwälte mit dicken Gesetzbüchern an den Support, die dafür sorgen, dass Facebook vor Strafzahlungen verschont bleibt? Nein. Wohl eher nicht.

Was wollen sie dann? Spinnen wir die Geschichte doch etwas weiter: Der Entwurf kommt durch den Bundestag. Facebook und die anderen großen Betreiber beginnen, im großen Stil zu löschen. Jedem PR-Manager, der auch nur einen Schuss Pulver wert ist, läuft hier das Wasser im Mund zusammen. Man frickelt sich ein strunzdoofes Programm zusammen, das auf sozialen Plattformen den Namen der eigenen Partei sucht, und sowie dort ein negativ belegtes Wort im Text gefunden wird, geht eine automatisierte Mail mit der Bitte um Löschung an den Support. So kann man unliebsame Meinungen sehr effizient entsorgen.

Kurz: Die Blauäugigkeit, die Heiko von vielen unterstellt wird, nehme ich ihm nicht ab. Hinter diesem Gesetzentwurf steckt Kalkül. Hasspostings interessieren unsere Politiker nicht – sofern ihre Außenwahrnehmung dadurch nicht beschädigt wird. Die Politik hat nach einer gewaltigen Schrecksekunde erkannt, dass freie Kommunikation den Parteien nicht zuträglich ist. Dieses Gesetz ist ein weiterer Versuch, offene Kommunikation zu unterbinden beziehungsweise in Bahnen zu leiten. Um den Bürger auf seiner mentalen Blümchenwiese nicht zu stören, werden Betreiber als Zensurrelais verwendet. Eigentlich recht smart – für Maas’sche Verhältnisse.

[facebook] Reality-check bitte!

Inzwischen mehrmals täglich wird man auf Facebook (in kleinerem Umfang auch auf anderen sozialen Netzwerken) von geteilten Nachrichten überflutet nach denen man nicht gefragt hat, und die man nicht will.

Ein Beispiel ist: „Facebook verändert die AGBs und jetzt müssen alle direkt und sofort einen Widerspruch in den Status posten. Der arme Herr Zuckerberg muss sich dann der Macht der Verbraucher beugen und darf deine Daten nicht anfassen!“

Ja klar. Damit hat sich sogar schon der Postillon beschäftigt. Aber darum geht es gar nicht. Als Netzbürger der ersten Stunde kennt man viele Facetten der sozialen Imkompetenz. Da gibt es Choleriker, Zyniker, Hyänen, Promoter, Liker, Hater, Grammar-Nazis und weiß der Henker was noch. Die erkennt man schnell und hakt sie in der Regel unter dem Überbegriff „Trolle“ ab. Jedes einigermaßen ernstzunehmende soziale Netzwerk hat heutzutage eine Blockierfunktion, die großzügig genutzt werden sollte. Aber auch um die geht es hier nicht.

Es geht um die ganzen Menschen, die wir kennen und eigentlich auch mögen, die wir eventuell sogar außerhalb der Anonymitätsblase des Internets treffen. Es geht darum, dass selbst Menschen, die man eigentlich als umsichtige und reflektierende Personen kennt, den Verstand am Login gleich mal mit abgeben.

Nein – ihr könnt keinen Mercedes gewinnen, wenn ihr einen Beitrag teilt! User: „Ja… aber warum denn nicht?“
Weil der Beitrag eben ein Fake ist!
User: „Ja aber das schadet doch niemand, wenn ich das trotzdem probiere…“
Doch, tut es. Es müllt die Timeline all derer zu, für die ihr eigentlich schreibt. Und schlägt der Beitrag beim nächsten auf, der seine tägliche Hirninfusion verpasst hat, teilt der ihn wieder! So kann es ganz schnell passieren, dass man an schlechten Tagen 1-10 Kopien dieses Sondermülls durchscrollen muss, um an das zu kommen, was man eigentlich lesen möchte.

User: „Aber man kann ja heute kaum mehr erkennen, was Fake und was Real ist!“
Wie bitte? Es sollte sich mittlerweile rumgesprochen haben, dass der Fakedetektor „Hirn 1.0“ kostenlos und überall erhältlich ist. Von einigen geistigen Nichtschwimmern abgesehen ist es jedem möglich, solche Beiträge zielsicher zu erkennen – oder zumindest im Zweifel zwei Minuten zu Googeln. Wobei wir beim Problem „Wie kann man sowas Googeln?“ wären. Eine kleine Hilfestellung für euch.

In letzter Konsequenz hat dieses Thema mit Rücksichtnahme zu tun. Man kann auf seine Leser scheißen, weiterhin jeden Dreck um sich werfen und billigend in Kauf nehmen, dass man anderen damit auf den Sack geht (bzw. sie einigen Gefahren aussetzt), oder man nimmt sich zwei Minuten Zeit, um etwas zu selektieren, was man da jeden Tag so im Netz verklappt. Die Personen, die euch lesen, tun das in der Regel gerne. Darum sind sie mit euch befreundet, oder haben euch abonniert, oder eingekreist. Wie es auch immer heißen mag – sie lesen eure Beiträge, weil sie euch kennen oder eure Beiträge mögen (oder sich einbilden, dass die aus moralischen Gründen ein „like“ unter jedweden Dünnschiss von gewissen Personen setzen müssen). Wer schreibt, tut das, um gelesen zu werden. Mit etwas Rücksicht auf die Leser stehen die Chancen gut, dass das so bleibt.