Perlen des Managements [1]

Wenn man sich mal die Zeit nimmt, genauer hinzusehen, lässt sich bei vielen Katastrophen ein Muster erkennen. In völliger Ahnungslosigkeit getroffene Entscheidungen geben oft den Ausschlag.

Shuttle
Shuttle beim Start

Im Laufe seines Lebens erfährt man doch so einiges, was einen ernsthaft am Fortbestand von uns Menschen zweifeln lässt. Der eine oder andere wird das naturgemäß anders sehen, doch in der Regel lässt sich diese Teilmenge dann unter „zu jung“, „zu naiv“ oder schlicht „kognitiv überfordert“ einordnen.

Nehmen wir uns einmal als Beispiel die Krone der Schöpfung (sofern wir uns im Pantheon der Neoliberalisten bewegen): Den Manager.

In seinem Tun vorangepeitscht durch das ständig drohende Damoklesschwert, ein Jahr einmal keinen Rekordumsatz vorweisen zu können ist er in der Betriebshierarchie der Hochkaräter, die Crème de la Crème der Geschäftswelt.

Nun ist es aber so, dass Managergehirne in der Regel nicht leistungsfähiger sind, als die des gemeinen Fußvolks. Das bedeutet, dass hier neben Bilanzen und Margen nicht viel mehr verarbeitet werden kann und wir somit bei anderen Themengebieten gewisse Abstriche in Kauf nehmen müssen. Dass grundsätzliche Funktionen (z.B. „Den Schließmuskel erst über der Schüssel öffnen!“ etc.) weiterhin bedient werden müssen, macht die Geschichte für die armen Burschen nicht einfacher.

Das wäre an sich noch kein großes Problem, wenn da nicht eine zusätzliche Eigenschaft der Manager wäre, die sie zur Gefahr für den Fortbestand ihrer Rasse werden lässt: Ihr erbärmlicher Drang, sich mit Dingen zu befassen, die ihr Resthirn weder verarbeiten, noch auch nur ansatzweise begreifen kann. Man kann nur mutmaßen, dass sich hier die Profilierungssucht Bahn bricht, die sich seit der letzten Powerpoint-Präsentation wie ein gewaltiger mentaler Samenstau aufgebaut hat. Die Fähigkeit, diesen Umstand als solchen zu erkennen und die schlaue Variante zu wählen (Klappe halten), fällt der begrenzten Kapazität des Managerhirns zum Opfer. Ein Teufelskreis.

Es ist daher auch nicht weiter verwunderlich, dass ein überproportional großer Anteil von Entscheidungen, die zu Katastrophen führten, direkt auf teilweise haarsträubende Fehlentscheidungen des Managements beteiligter Unternehmen zurückzuführen sind.

Nehmen wir uns zum Beispiel die Shuttle-Katastrophe von 2003. Die Columbia, an sich schon ein Oldtimer, verglühte am 1. Februar über Texas. Ursache des Unglücks war ein Loch im Hitzeschild an der Flügelvorderkante. Dieses entstand beim Start, als ein ca. 1,5 Kilo schwerer Brocken Isolationsschaum den Flügel mit ca. 800 km/h traf. Der Schaum löste sich vom externen Treibstofftank und baute auf dem Weg zum Flügel genug Energie auf, den Hitzeschild zu beschädigen.

Rückblende: Zwei Tage nach Weihnachten 1999 landete die „Discovery“ sicher in Florida. Nach dem Flug stellte sich heraus, dass der Hitzeschild am linken Flügel beschädigt war. Der zuständige Ingenieur vermerkte den Umstand in seinem Bericht, konnte jedoch keine Ursache für die Beschädigung erkennen. Das Management der NASA beschloss, diese Geschichte auf sich beruhen zu lassen.

Im März 2001 wurde das selbe Problem wieder festgestellt, wieder war die „Discovery“ das leidtragende Schiff. Dieses mal wurde die NASA tätig. Die Ingenieure wurden angewiesen, die Flügel aller Shuttles auf Beschädigungen zu untersuchen. Die Vorgehensweise war erschreckend untauglich. Keinerlei Messequipment wurde verwendet, sondern die Flügel nur optisch geprüft und mit den Fingern abgetastet. Damit können jedoch keine internen Schäden festgestellt werden, sondern nur oberflächliche. Die einzig nicht zerstörende Möglichkeit (NDE – non destructive evaluation), Kohlenstoffaserverstärkte Kohlenstoffe auf Beschädigungen zu prüfen, wäre ein Ultraschallmessverfahren gewesen. Dieses wurde aber vom Management als unnötig erachtet. Trotzdem wurden am Shuttle „Atlantis“ weitere Beschädigungen gefunden. Das Management der NASA unternahm nichts.

Im Februar 2003 endete die Glückssträhne. Durch das entstandene Loch im Flügel der „Columbia“ drang ein Strahl heißen Plasmas in den Flügel ein, zerstörte in kurzer Zeit erst die Metallstruktur der Außenhaut, dann diverse Sensoren und schließlich die Hydraulik des Shuttles. Die Fluglage wurde instabil und die enormen aerodynamischen Kräfte bei Mach 19 zerrissen die Zelle in Sekundenbruchteilen. Die Trümmer verteilten sich auf zwei Bundesstaaten. Sieben Menschen starben.

Richard Blomberg, ein ehemaliges Mitglied des NASA Sicherheitsausschusses, der solche Nachlässigkeiten gerne mal kritisiert, wurde nicht einmal ein Jahr vor dem Unfall gefeuert. Im Nachhinein gab er zu Protokoll, dass es zunehmend schwierig wurde, Sicherheitsbedenken gegenüber dem Management zu äußern, da das Programm finanziell auf wackligen Beinen stand. Während Blomberg bei den Untersuchungen zum Unfall auf die früheren Beschädigungen angesprochen wurde, stellte er klar, dass die Meldungen den Sicherheitsausschuss nie erreicht haben. Warum das nicht geschehen ist, ist unklar.

Zur Zeit des Unfalls war Sean O’Keefe der Administrator der NASA. Was ihn zur Entscheidungskompetenz technischer Belange qualifiziert, gibt weitere Rätsel auf. Als Bachelor in Politikwissenschaften und Master in Verwaltungswissenschaften zählte Materialkunde wohl nicht zwingend zu den Hauptfächern. Auch seine vorigen Beschäftigungsfelder als Rechnungsprüfer und Vizedirektor des Office of Management and Budget sollten ihn wohl kaum zum Entscheidungsträger in technischen Fragen qualifizieren. Als herausragend galt allerdings sein Talent in Sachen Umstrukturierungen, Verwaltung und Finanzen. Umstrukturierungen, denen passenderweise auch Warner wie Blomberg zum Opfer fielen.

O’Keefe reichte im Dezember 2004 seinen Rücktritt ein, ohne je die Verantwortung für das Unglück akzeptiert zu haben.