Werbung macht Produkte schlechter.

Wer es heute schafft, mehr als eine Stunde nicht mit Werbung konfrontiert zu werden lebt entweder sehr isoliert, oder eben gar nicht mehr. Man steht morgens auf und die Tageszeitung ist das erste Medium des noch jungen Tages, das einem die Verbraucherinformationen direkt ins Gesicht erbrechen darf.

Auf dem Weg zur Arbeit bunte Schilder an allen Ecken, mit unsäglich blöden Sprüchen bepinselte LKWs – nur um letztendlich an der Arbeitsstelle die nächsten zehn Stunden der Werbedauerattacke des eigenen Arbeitgebers ausgesetzt zu sein. In seiner darauf folgenden Freizeit wird dem angeschossenen Verbraucher dann mit großkalibriger Werbung mittels Unterhaltungselektronik waidmännisch korrekt der Fangschuss versetzt.

Diese gewaltige Flut an meist unerwünschten „Informationen“ dient nur einem Zweck: Dem Vebraucher zu signalisieren, dass er sich doch gefälligst lieber das Produkt des Werbenden anschafft als das des Konkurrenten. Wirbt der Konkurrent auch, haben wir hier natürlich das klassische Wettrüsten. Wer am lautesten schreit, hat recht.

Führt man sich vor Augen, dass die Werbeindustrie weltweit jährlich ca. 600 Milliarden US$ umsetzt, kann man diese Zahlen durchaus mit anderen Feldern vergleichen. Der für immense Militärausgaben bekannte US-Haushalt weist für 2015/16 einen Wehretat von 611 Milliarden US$ aus, wobei bekannt ist, dass aus diesem Etat einige ansonsten defizitäre Konzerne subventioniert werden. Nun kann man sicher trefflich darüber streiten, inwiefern diese Ausgaben Sinn machen. Sicher ist aber eins: Es gibt einen Gegenwert für diese Ausgaben. Kampfjets, Schiffe, Ausrüstung etc.

Aber welchen Gegenwert bietet Werbung? Gar keinen? Dann wäre sie ja grundsätzlich harmlos! Ist sie aber nicht. Wer ein Produkt entwickelt, hat dafür einen gewissen Etat. Aus diesem muss nicht nur die Planung und Produktentwicklung finanziert werden, sondern auch die Werbung. Damit fließen zwangsläufig weit weniger Mittel in die Entwicklung. Weit weniger? Ja. Zu den Zahlen kommen wir später.

Nun könnte ja ein Konzern einfach die Notbremse ziehen und sich diesem Werbewettrüsten verweigern – doch Verbraucher sind inzwischen so konditioniert, dass Werbung wirklich funktioniert. Man kann also nicht auf Werbung verzichten. Man kann nur besser werben. Und bessere Werbung eines Marktteilnehmers zieht eben noch bessere Werbung der Konkurrenz nach sich. Aus der Sicht der involvierten Parteien findet hier ein Wettrüsten statt, doch das komplette Konstrukt als Gesamtheit betrachtet erfüllt die Merkmale eines Krebsgeschwürs. Und wie bei einem Tumor wäre es auch äußerst schwierig, Werbung ohne Kollateralschaden zu entfernen.

Die 600 Milliarden US$ kann man also durchaus als Schaden an der Wirtschaft anrechnen. Bereits 2008 gab die US-Pharmaindustrie doppelt so viel Geld für Werbung als für die ungleich wichtigere Forschung aus. Hier sind wir soweit, dass man den Preis für Werbung in Menschenleben messen kann. Wenn man sich jetzt vor Augen führt, dass uns Werbung in der überwiegenden Mehrheit aller Fälle furchtbar auf den Sack geht, kommt man unweigerlich zum Schluss, dass die Menschheit eher früher als später aussterben wird. Wir zahlen mehr für schlechtere Produkte, damit der Hersteller uns mit Werbung, die wir nicht wollen beschießen kann.